Brecht beschreibt in seinem Lied „Solidarität“
diesen Gedanken:
Und weil der Mensch ein Mensch ist
Hat er Stiefel im Gesicht nicht gern
Hat nicht gern Knechte unter sich
und über sich keinen Herrn.
Mit der berechtigten Ablehnung des Machtmißbrauches wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und der Nutzen und das Verlockende an Machtbeziehungen geleugnet.
Schon in kleinsten Kindergruppen bilden sich Rangreihen und Führer heraus, die neben dem Ruhm die Plage haben, und Anhänger, die neben der Entlastung die Abhängigkeit haben.
Diese Situation ist wunderschön in den beiden klassischen Jugendbüchern „Kampf der Tertia“ und „Die Rote Zora“ dargestellt.
Die Eltern genießen ihre Macht über ihre Kinder, diese den Schutzschild der Eltern.
Der Unternehmer genießt seine Macht über seine Firma, seine Angestellten genießen, daß sie keine Verantwortung für den Laden haben. Der Pfarrer genießt die Macht über die Seelen seiner Gemeinde, diese, daß der Pfarrer den Glauben vertritt und die Zweifel beseitigt.
Bei uns ist es üblich, daß der Schüler oder Student seinen Eltern oder „verehrten
Lehrern“
dankt. Im Zen-.Budhismus heißt es, daß der Lehrer sich beim Schüler bedankt, wenn dieser richtig gelernt hat - denn er hat ihn als Lehrer damit anerkannt. Das könnte für unsere Schulen eine Bereicherung darstellen.
In dem Maße, als Mächtige und Ohnmächtige ihrer gegenseitigen Abhängigkeit erkennen, können das Machtspiel - und der Machtflirt wunderschön werden. Es ist dabei gleichgültig, ob die dabei realisierten Beziehungswünsche lediglich mit Nähe und Bindung, mit Position in der Hierarchie, mit Sexualität oder mit Kampf und Auseinandersetzung oder einem Konglomerat zu haben.
Wenn es um die soziale Position ist der Flirt stark durch Kampf oder Fluchtverhalten geprägt:
Kritik, Forderungen stellen, Argumentieren, sich durchsetzen, Standpunkte beziehen, Interessen vertreten, Verantwortung übernehmen, sich auseinandersetzen und Streiten, Standhalten und nicht Aufgeben, zu seinem Zorn und Ärger stehen, Konflikte zugeben und aushalten: Das findet durchaus auch zwischen Eltern und Kindern, innerhalb von Liebesbeziehungen und zwischen Freunden statt. Deutlich ist hier, daß es sich dabei in der Regel um einen Machtflirt handelt. Und wenn man keinen Erfolg hat, oder der andere ist stärker, tendiert man zur Flucht, Resignation, Aufgabe, Verzichten, Vermeiden oder sich so geschickt verbergen, daß der andere keinen Angriff mehr starten kann.
Das erste Flirtspiel der Jungtiere besteht aus spielerischen Angriffen, Verteidigung und Flucht. Über sie werden langfristig die Machtverhältnisse geklärt und die
„Hackordnung herausgearbeitet.
Bei vielen Begegnungen necken, provozieren, fordern Menschen sich ganz unabhängig davon, wie ihre Wünsche nach Nähe sind gegenseitig heraus. Nicht immer ist deutlich, daß da bei kokettiert wird, manche können so überzeugend flirten, daß der als ob Charakter gar nicht mehr ersichtlich ist. Dann wundern sich die anderen, wenn jemand keine Konsequenzen aus einer Kritik zieht und den zuvor fertig gemachten zum Abschied herzlich küßt. Für einen erfolgreichen Flirt kann das eine bessere Ausgangssituation sein als Schwärmerei und Komplimente, weil Distanz eingehalten wird und darüber jeder sein eigenes Begehren entwickeln kann. Unter Jugendlicher ist dieser Flirtyp der häufigste. Er schützt sie vor dem Schmerz der Zurückweisung. „Wenn du mich auch dann noch magst, wenn ich so eklig zu Dir bin, muß Du mich ziemlich mögen“.